Generationen spielen auf unseren Höfen eine wichtige Rolle. Viele Betriebe werden bereits seit Jahrzehnten oder sogar Jahrhunderten bewirtschaftet. Auch unseren Hof gibt es bereits seit über 200 Jahren am Kalvarienberg. Meine Vorfahren - meine Urgroßeltern, Großeltern und Eltern - haben in den Hof investiert, haben ihn weiterentwickelt und den Anforderungen der jeweiligen Zeit angepasst und stets besser übergeben, als sie ihn von der Vorgeneration übernommen haben.
Jeder einzelne burgenländische Betrieb hat seine eigene Geschichte und seinen eigenen Werdegang. Dabei beeinflusst die Entscheidung der aktuellen Betriebsführer über die Ausrichtung auch die weiteren Generationen. Meine Großeltern haben zum Beispiel die Milchwirtschaft ausgebaut, meine Eltern die Direktvermarktung und nun findet sich Beides auf unserem Betrieb. Mein Sohn möchte auch einmal Bauer werden. Das sagt er schon seit er ein Kleinkind ist. Es ist schön, dass er langsam in seinen zukünftigen Wunschberuf hineinwachsen kann. Nach einer fachlichen Ausbildung wird es für ihn dadurch leichter sein, selber Verantwortung zu übernehmen und seinen eigenen Weg zu gehen. Interessant finde ich, dass man herausgefunden hat, dass gerade Familienunternehmen besonders nachhaltig arbeiten, weil nicht die kurzfristige Gewinnmaximierung an oberster Stelle steht, sondern die Weitergabe des Hofes an die nächste Generation.
Unsere ureigenste Aufgabe in der Landwirtschaft ist seit jeher die Produktion von Lebensmittel. Nicht nur unsere eigenen Entscheidungen prägen unsere Höfe, sondern auch die Erwartungen der Gesellschaft der jeweiligen Generation spiegeln sich in unseren Betrieben wieder. In der Nachkriegszeit war es wichtig die Produktivität zu steigern und der alleinige Fokus war auf Quantität gerichtet. Die Menschen hatten jahrelang nicht ausreichend zu essen, also aus meiner Sicht auch mehr als verständlich. Ab den späten 60er Jahren rückte die Lebensmittelsicherheit und Qualität in den Vordergrund. Und heute wird das Tierwohl und der Umweltschutz immer wichtiger.
1950 konnte ein/e Bauer/Bäuerin gerade mal 4 Menschen ernähren, 2012 schaffte es ein/e Bauer/Bäuerin über 106 Menschen mit Nahrung zu versorgen und heute sind es noch mehr. Die Produktivität, der technische Fortschritt und die Spezialisierung haben es möglich gemacht. Die Lebensmittel sind so sicher wie noch nie, in unseren Breitengraden ist immer alles zu jeder Zeit verfügbar und gleichzeitig auch noch günstig. Wir investieren in Tierwohl, nehmen freiwillig am österreichischen Programm für umweltgerechte Landwirtschaft teil und die Bäuerinnen und Bauern waren noch nie so gut ausgebildet heute.
Also könnte man meinen, dass die Konsumentinnen und Konsumenten doch sehr zufrieden sein können mit dem wie sich die Landwirtschaft entwickelt hat. Und dennoch werden wir heute so oft wie noch nie für unsere Arbeit kritisiert. Es wird viel über die Landwirtschaft geredet, aber wenig mit Bäuerinnen und Bauern. Politische Entscheidungen werden getroffen, die die Existenz von unseren heimischen Familienbetrieben gefährden.
Die Landwirtschaft rückt immer mehr an den Rand der Gesellschaft und diese wieder in die Mitte zu bringen, ist glaube ich die große Herausforderung unserer Zeit und meiner Generation. Denn zeitgleich mit dem Produktivitätszuwachs wurden die landwirtschaftlichen Betriebe und die Bäuerinnen und Bauern weniger, und nun wächst bereits eine Generation heran, die keine landwirtschaftlichen Wurzeln mehr hat. Dadurch geht unweigerlich Verständnis für uns und unsere Arbeit verloren. Es ist wichtig, dass wir uns aktiv in die gesellschaftlichen Debatten rund um die Landwirtschaft einmischen und unsere Sicht der Dinge darstellen. Das können wir selber am besten - wir, die jeden Tag am Acker, im Stall oder im Garten arbeiten! So entsteht Wertschätzung und Vertrauen und so können wir wieder in die Mitte der Gesellschaft kommen.
Die Bäuerinnen sehe ich in einer Vorreiterrolle, wenn es um die Kommunikation geht. Unsere Seminarbäuerinnen und Schule am Bauernhof-Anbieterinnen setzen sich für den Dialog mit den Konsumentinnen und Konsumenten ein und vermitteln in Schulworkshops, Kochkursen, Messeeinsätzen und direkt auf ihren Höfen ein realistisches, praxisnahes Bild über die heimische Landwirtschaft.
Die Ortsbäuerinnen vertreten die Landwirtschaft auf Ortsebene, bringen sich aktiv ins Dorf-, Gemeinde- oder Stadtleben ein und bereichern somit unseren ländlichen Raum. Ich darf mich als Bezirksbäuerin für die Landwirtschaft und die Bäuerinnen auf Bezirksebene einsetzen und auch an der Öffentlichkeit vertreten. Mir ist wichtig auch moderne Kommunikationsmittel dazu zu nutzen, die Landwirtschaft einem breiten Publikum außerhalb unserer Berufsgruppe zugänglich zu machen. Die Menschen interessiert wie wir arbeiten und ich finde, wir sollten ihnen auch die Möglichkeit geben einen Einblick in unsere Betriebe zu bekommen. Wir sind nur mehr eine kleine Gruppe, aber wir haben nach wie vor einen großen Stellenwert in der Gesellschaft. Immerhin zählt der Beruf Landwirt*in für die Menschen zum 3. wichtigsten Beruf der Zukunft. Das ist für mich Grund genug mich weiterhin für den Dialog mit den Konsument*innen einzusetzen und mich für die Landwirtschaft stark zu machen.
Quellen:
https://de.statista.com/statistik/daten/studie/163400/umfrage/ansehen-der-berufe-in-der-gesellschaft/. Suchbegriff: Berufe der Zukunft für Gesellschaft. 3.2.2020
http://jungbauern.at/wp-content/uploads/2016/03/Landwirtschafts-Broschüre_Druck.pdf. Suchbegriff: Wie viele Menschen ernährt ein Landwirt. 3.2.2020
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